Donnerstag, 2. Oktober 2014

Wenn du mehr im Herzen leben willst, lass deinen Kiefer frei!


In unserem Bestreben, sachlich und objektiv durchs Leben zu gehen und die Welt, die Dinge, unsere Mitmenschen und uns selbst zu verstehen, haben wir uns stark mit dem Verstand identifiziert und in unseren Kopf wie in ein Hinterstübchen zurückgezogen. Um immer alles genau im Blick zu behalten, haben wir unsere Beobachtungsgabe mit der Zeit perfektioniert. Die Sinne sind messerscharf geworden und die Reizreaktionsmuster haben sich "eingefleischt". Dadurch ist das Herz als Ort der Wahrnehmung unserer Realität immer mehr in den Hintergrund gerückt.

Reflektion, "objektive Betrachtung", Nachdenken, Abwägen und Kalkulieren werden gemeinhin als die wichtigsten Manifestations- und Ausdrucksformen unserer Identität betrachtet. Der Glaube an diese augenscheinliche Objektivität und die Verhaftung mit dem Anspruch objektiv sein zu können, offenbaren die Grenze unserer Bereitschaft, Verantwortlichkeit bezüglich unseres Erlebens zu übernehmen und zu kultivieren. Der Glaube an Objektivität und Rationalität läutet das Ende unserer Selbstermächtigung ein. Er ermöglicht, die Eskalation unseres Wahrnehmungsmodus in Richtung Frigidität, einem Ausdruck höchsten Abgeschnitten-Seins von unserer Lebendigkeit, Gestaltungskraft und Ermächtigung.

Diese Abwärtsspirale eskaliert über folgende Stufen:
1. Objektivität, 2. Nüchternheit, 3. Ernst, 4. Sorge, 5. Ängstlichkeit, 6. Frustration, 7. Frigidität

In unserer psycho-physischen Sinnes- und Muskelkonfiguration drücken sich diese Dynamiken in körperlichen Phänomenen aus, an deren fragwürdiger Nützlichkeit aufgrund ihrer großen Verbreitung kaum jemand Anstoß nimmt. Übermässige Scharfsinnigkeit und Geschwindigkeit, Konzentration (angestrengte Fokussierung), sich zusammennehmen, Stirnrunzeln, sich unter Druck setzen, die Luft anhalten, hartnäckig sein, eine ernste Miene machen, die Zähne zusammen-beißen und den Po zusammenkneifen sind Phänomene, die uns trotz fataler Aus-wirkung auf Ausstrahlung, Körperstellung und Wohlbefinden selten zu denken geben. 

Der natürliche und entspannte Kieferschluss, der bei jedem Schluckvorgang stattfindet, ist eine wichtige Stabilisierungs- und Abstimmungshilfe für unser Gleichgewichtssystem. Gleichzeitig sind in der Kiefermuskulatur (wie in allen Körperzellen und Gewebsstrukturen) alle schmerzhaften Bewältigungsmomente unseres Lebens abgespeichert.

Die Saugrate ist ein Messwert, der bei Babys die Bewältigungsintensität abbildet, die zur Konstitution der Persönlichkeit führt. Dies ist gut zu beobachten, wenn ein Kleinkind, das mangels Bewältigungsmöglichkeit bezüglich seines emotionalen Erlebens den Schnuller in den Mund bekommt und durch Saugen und Runterschlucken von der Quelle seines Unwohlseins und seinem emotionalen Prozess abgelenkt wird. Die Intensität seiner Reaktion wird dabei in energetische Verdichtung investiert, die sein Selbst aufbaut.

Durch den konkreten physischen Druck, der durch den Verschluss des Kiefergelenks erzeugt wird, hebeln wir auch noch als Erwachsene unser Bewusstsein in die kognitiven Hinterstübchen unseres Verstandes und verbarrikadieren uns darin. 


Andererseits sind alle spontanen und positiven emotionalen Zustände mit unwillkürlichem Zulassen von Atemimpulsen verbunden, welche die Luft - „so wie sie es will“ - durch den Mund einströmen lassen. Beim Staunen, zufriedenen Seufzen, Lachen, Lächeln, Gähnen und Jauchzen räumen wir so unserem autonomen Nervensystem unbewusst mehr Anteil an unserem Entwicklungsprozess und Selbsterleben ein. 

Indem wir das Druckniveau im Kieferbereich reduzieren, können die emotionalen Hintergründe unserer kognitiven Prozesse energetisch in unser Bewusstsein zurückkommen und in unserem Herzen transformiert werden. Wer bereit ist, dieses Experiment zu wagen und auch in schwierigen Situationen zulässt, dass die Luft öfter durch den Mund einströmt, wird vom Ausmaß und von der Direktheit überrascht sein, in der stimmungsmäßige Deutlichkeit und Intensität in das Erleben zurückkehren.

Die kognitive Reaktionsdynamik reduziert sich und die Fähigkeit zu emotionaler Gegenwärtigkeit nimmt zu. Dadurch können alle vergrabenen emotionalen Stauungen durchgefühlt und losgelassen werden und wir befreien uns von diesen tickenden Zeitbomben.



In dem Mass, in dem wir es vermeiden, uns in die kognitive Bewältigung von herausfordernden Emotionen und Situationen zu verbeißen und diese „Knochen“ unser Meinungen, Rechtfertigungen und Rechthabereien loslassen, können unser Herzbewusstsein und unsere Herzkraft, die für unser Glücklichsein und unsere Gesundheit ausschlaggebend sind, wieder Einzug in unser Leben halten.

Wenn wir die Wandlungs- und Gestaltungs-fähigkeit unseres Herzraumes wieder in Besitz nehmen, bekommt unser Leben seine Echtheit und Saftigkeit zurück. Wir erlangen einerseits selbstverständliche Kompetenz und Verantwortlichkeit in der Bewältigung von Problemen, Konflikten, Zweifeln und Depressionen. Andererseits nimmt auch das Bewusstsein für unsere Autorität bezüglich unseres Erlebens und Zukunftgestaltens zu, weil Liebe, Inspiration und Verbundenheit in immer mehr Bereiche unseres Lebens Einzug halten und sprudeln können. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen